«Es gab Schau­spieler:innen, die lieber mit dem Flugzeug anreisen wollten»

Unter der Leitung von Walter Bortolotti legte RSI bei den Dreharbeiten zur Krimiserie «Alter Ego» Wert auf Nachhaltigkeit: Öffentliche Verkehrsmittel, lokale Ressourcen und konsequente Abfalltrennung prägen die umweltfreundliche Produktion.

Walter Bortolotti
Produzent Fiktion und Animation bei RSI (Bild: RSI/Loreta Daulte)

Walter, welche Nachhaltigkeitsmassnahmen habt ihr gemeinsam mit Amka Films bei der Produktion von «Alter Ego» umgesetzt?

Schon während der Vorproduktion haben wir Besprechungen grösstenteils digital abgehalten. Wenn das nicht möglich war, nutzte das Team öffentliche Verkehrsmittel wie den Zug. Wir haben zudem weitgehend auf das Ausdrucken von Dokumenten verzichtet. Drehbücher und andere wichtige Unterlagen standen stattdessen digital zur Verfügung.

Wie sah es während der eigentlichen Produktion aus?

Wo Reisen notwendig waren und öffentliche Verkehrsmittel nicht infrage kamen, organisierten wir Fahrgemeinschaften. Die Unterkünfte befanden sich in der Nähe unserer Basisstation, um den Reiseaufwand möglichst gering zu halten. Wenn immer möglich haben wir Secondhand-Möbel und -Requisiten genutzt. Gut erhaltene Gegenstände haben wir nach Ende der Dreharbeiten entweder wiederverwendet oder gespendet. Bei den Kostümen versuchten wir, möglichst wenig neue Kleidung zu kaufen und stattdessen auf Leih- und Mietbestände zurückzugreifen. Das Catering haben wir in der Nähe der Drehorte bestellt, und wir haben grösstenteils lokale Produkte gegessen. Das Geschirr war entweder abwasch- oder kompostierbar. Zudem haben wir konsequent Abfall getrennt.

War «Alter Ego» die erste nachhaltige Produktion dieser Art für RSI?

Die Filmindustrie in der italienischen Schweiz beschäftigt sich schon seit einigen Jahren intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit innerhalb von Filmproduktionen. Wir stellen deshalb erfreulicherweise fest, dass die meisten Dossiers, die uns übermittelt werden, Angaben darüber enthalten, wie die Produktionsfirma eine nachhaltige Produktion sicherstellen will.

Wie hat das Team auf die neuen Nachhaltigkeitsrichtlinien reagiert?

Insgesamt fielen die Reaktionen auf die Anpassungen sehr positiv aus. Es gab einige Schauspieler:innen, die lieber mit dem Flugzeug aus dem Ausland anreisen wollten. Mit diesen Personen haben wir direkt das Gespräch gesucht und ihnen erklärt, weshalb wir diesen Weg gewählt haben. In manchen Fällen haben wir trotzdem Ausnahmen erlaubt. Und zwar dann, wenn die Anreise mit dem Zug aufgrund des vollen Terminkalenders der Schauspielerin oder des Schauspielers nicht möglich gewesen wäre.

Wie ressourcenintensiv war es, die Nachhaltigkeitsmassnahmen umzusetzen?

Einen Grossteil des Aufwands haben die drei Produzentinnen von Amka Films bewältigt. Sie haben hart dafür gearbeitet, eine nachhaltige Produktion zu gewährleisten. Künftig wäre es sicherlich sinnvoll, eine Ansprechperson zu haben, die auf Nachhaltigkeitsanalyse und ‑beratung spezialisiert ist. Das wäre aber ein zusätzlicher Kostenpunkt.

Welche Erkenntnisse konntest du aus anderen SRG-Produktionen wie «Hartes Pflaster» nutzen?

Die Fiktionsabteilungen der SRG treffen sich regelmässig, um Projekte zu besprechen und sich über neue Entwicklungen auszutauschen. In diesem Rahmen haben wir auch schon mehrfach das Thema Nachhaltigkeit diskutiert. Die Erfahrungen von «Hartes Pflaster» haben uns definitiv dabei geholfen, die Gespräche mit Amka Films noch zielgerichteter zu führen.

Möchte RSI solche nachhaltigen Produktionen künftig weiter ausbauen?

Derzeit gibt es bei RSI noch keine fixe Struktur, die dies bei allen Produktionen sicherstellt. Wir prüfen jedoch verschiedene Massnahmen und ziehen es in Erwägung, mit einer Nachhaltigkeitsberaterin oder einem Nachhaltigkeitsberater zusammenzuarbeiten, die oder der als zentrale Ansprechperson für nachhaltige Produktionen dienen soll. Der CO₂-Rechner für die Schweizer Filmbranche, den SRF gemeinsam mit der Zürcher Filmstiftung und Cinéforom lanciert hat, könnte uns künftig dabei helfen, Produktionsprozesse systematisch nachhaltiger zu gestalten.

Welche langfristigen Auswirkungen erwartest du von den Nachhaltigkeitsmassnahmen?

«Alter Ego» war eine tolle Möglichkeit, um erste wertvolle Erfahrungen zu sammeln, die wir auch in künftige Produktionen einfliessen lassen können. Der CO₂-Rechner ist zudem ein hervorragendes Instrument, um eine erste Bestandsaufnahme zu ermöglichen. Gemeinsam mit Berater:innen für nachhaltige Produktionen stellt er ein Schlüsselelement für die Entwicklung von Produktionsstandards für RSI und die gesamte SRG dar. Auf nationaler Ebene wird derzeit an einem koordinierten Ansatz gearbeitet, um das Monitoring und die Massnahmen auf Unternehmensebene zu fördern und sicherzustellen, dass wir als SRG die Ziele in Bezug auf eine nachhaltige Produktion erfüllen.