KI-Prinzipien der SRG: Ein Kompass für die Zukunft des Journalismus
Künstliche Intelligenz (KI) verändert die Medienwelt grundlegend – auch bei der SRG. Doch wie lässt sich diese Technologie so einsetzen, dass sie den Werten eines Service-public-Unternehmens gerecht wird? Flavio Bundi, Präsident des Content Boards der SRG, gibt Einblick in die KI-Prinzipien.

Flavio Bundi
Präsident des Content Boards und Chefredaktor von RTR (Bild: RTR)
Ein Nachrichtentext, der innert Sekunden von einer KI in eine andere Sprache übersetzt wird, oder eine Archivsuche, die mit minimalem Aufwand die passenden Inhalte liefert – was vor wenigen Jahren wie Science-Fiction klang, gehört bei der SRG inzwischen zum Arbeitsalltag. Doch diese Technologien werfen auch grundlegende Fragen auf: Wie kann künstliche Intelligenz verantwortungsvoll eingesetzt werden, ohne die journalistischen Kernwerte zu gefährden? Die nationalen KI-Prinzipien, die Anfang 2024 eingeführt wurden, geben Antworten darauf. Mit den Grundsätzen «Verantwortung, Transparenz und Vertraulichkeit» schafft die SRG klare Regeln, die sowohl die Innovation fördern als auch die Qualität sichern.
Verantwortung: Menschliche Expertise bleibt unverzichtbar
Die Einführung der KI-Prinzipien geht auf intensive Diskussionen im Content Board der SRG zurück. «KI ersetzt keine menschliche Expertise. Künstliche Intelligenz ist nicht intelligent», betont Flavio Bundi, Präsident des Content Boards und Chefredaktor von RTR. «Die künstliche Intelligenz unterstützt uns, aber die Verantwortung liegt weiterhin beim Menschen.»
Genau diese Haltung prägt auch den Umgang mit KI in den Unternehmenseinheiten. Ein Beispiel dafür ist die maschinelle Übersetzung bei RTR: Fremdsprachige Texte können zwar mithilfe von sogenannten Large Language Models ins Rätoromanische übersetzt werden, bevor die Übersetzungen allerdings veröffentlicht werden, prüft und redigiert ein Redaktionsmitglied den Entwurf. Die journalistische Sorgfaltspflicht bleibt somit stets das oberste Gebot.
Auch aus anderen Bereichen der SRG ist künstliche Intelligenz nicht mehr wegzudenken. Redaktionen nutzen die Technologie etwa, um Interviews zu transkribieren oder Metadaten zu analysieren. Besonders die automatisierte Untertitelung wird auch in Zukunft die Arbeitseffizienz steigern.
Transparenz: Klare Deklaration schafft Vertrauen
Für das Publikum muss zu jedem Zeitpunkt eindeutig nachvollziehbar sein, ob künstliche Intelligenz zum Einsatz gekommen ist. Diese Verpflichtung gilt insbesondere für visuelle Inhalte. Teaserbild-Generatoren unterstützen die Redaktionen zwar dabei, passende Vorschaubilder auszuwählen, doch jede Veröffentlichung durchläuft eine abschliessende Prüfung. «Unser Publikum darf nie an der Authentizität unserer Inhalte zweifeln. Unsere publizistischen Leitlinien verlangen, dass wir transparent mit dem Einsatz von KI umgehen», betont der Präsident des Content Boards der SRG.
Auch im Archivwesen entfaltet künstliche Intelligenz grosses Potenzial. Automatisierte Systeme helfen etwa, Inhalte effizienter zu sortieren, aufzubereiten und dank verbesserter Metadaten einfach wieder abzurufen. «Das spart nicht nur Ressourcen, sondern erhöht vor allem auch die Zugänglichkeit», führt Bundi weiter aus.
In diesem Zusammenhang stellt allerdings der Datenschutz eine der grössten Herausforderungen dar. Bundi betont: «Datenschutz steht bei uns an erster Stelle. Wir schützen unsere Daten konsequent vor Missbrauch.» Wo in der SRG die Vorzüge der KI genutzt werden, werden die rechtlichen Vorgaben stets eingehalten. Dazu gehören zum Beispiel das Urheberrecht und der Datenschutz sowie die berufsethischen Normen, die dem Leistungsauftrag des öffentlichen Medienhauses zugrunde liegen. Die SRG verpflichtet sich also, keine vertraulichen Daten oder geschützten Inhalte an nicht autorisierte KI-Systeme weiterzugeben.
Ein interdisziplinärer Balanceakt
Die Entwicklung der KI-Prinzipien war aufwändig, da die unterschiedlichen Anforderungen der Unternehmenseinheiten vereint werden mussten. Im Sommer 2023 stand das Content Board unter der Leitung von Bundis Vorgänger Stefano Semeria vor der Aufgabe, nationale Leitlinien zu schaffen. Dabei prallten verschiedene Perspektiven aufeinander: Während einige Unternehmenseinheiten detaillierte Regeln forderten, plädierten andere für etwas mehr Flexibilität. «Wir mussten einen Rahmen schaffen, der robust genug für die Gegenwart ist, aber auch künftigen Entwicklungen Raum lässt», erklärt Bundi.
Inspiration bekamen die Verantwortlichen auch von internationalen Vorbildern wie der BBC und der OECD, deren KI-Vorgaben sich mit den gemeinsamen Grundsätzen «Verantwortung, Transparenz und Vertraulichkeit» zusammenfassen lassen. Und genau diese Kernbegriffe standen auch bei der Ausarbeitung der KI-Prinzipien der SRG im Zentrum.
Herausforderungen und Chancen: Wohin die Reise geht
KI bringt neue Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen. Die rasante Entwicklung der Technologie erfordert kontinuierliche Weiterbildung der Mitarbeiter:innen. Fähigkeiten wie das präzise «Prompten» – die zielgerichtete Eingabe von Anweisungen an KI-Systeme – haben sich zu essenziellen Kompetenzen der Medienschaffenden entwickelt. Die nationale KI-Taskforce der SRG fördert den Austausch zwischen den Unternehmenseinheiten und sorgt dafür, dass Erfahrungen geteilt und neue Standards gesetzt werden.
Die SRG sieht die Zukunft der KI in der Medienwelt pragmatisch: Technologien sollen helfen, repetitive Aufgaben zu automatisieren, um Freiräume für tiefgreifendere Analysen und Recherchen zu schaffen. Kreative Anwendungen wie Text- oder Bildgenerierung könnten künftig an Bedeutung gewinnen. «KI ist kein Selbstzweck. Sie ist ein Werkzeug, um Qualität zu sichern und Innovation zu fördern», resümiert Bundi. Mit den nationalen KI-Prinzipien hat die SRG nicht nur ein Regelwerk geschaffen, sondern auch ein klares Bekenntnis zu ihren Werten abgegeben. Qualität, Ethik und Transparenz bleiben die Leitlinien – auch in der digitalen Zukunft.