Eurovision Song Contest: zwischen Tradition und Moderne
Der Eurovision Song Contest (ESC) begeistert Millionen, doch die Organisation des Events birgt komplexe Herausforderungen. Bakel Walden, Chairman der Reference Group, spricht über steigende Kosten, zunehmende Politisierung und technologische Innovationen.

Bakel Walden
Chairman der Reference Group des Eurovision Song Contest (Bild: SRG)
Bakel, der ESC ist ein weltweit gefeierter Event. Doch es gibt auch viel Kritik. Wie begegnet die Reference Group diesen Herausforderungen?
Der ESC ist als Event tatsächlich so erfolgreich wie noch nie zuvor, mit grosser Reichweite sowohl im klassischen Fernsehen als auch auf Onlineplattformen wie Youtube und Tiktok. Mit diesem Erfolg wachsen jedoch auch die Herausforderungen. Ein zentrales Thema sind die steigenden Produktionskosten, die für viele Gewinnerländer eine grosse Hürde darstellen. Die Reference Group hat erkannt, dass hier strukturelle Lösungen notwendig sind.
Was bedeutet das konkret?
Je mehr Wissen und standardisierte Dienstleistungen von Jahr zu Jahr weitergegeben werden, desto effektiver lassen sich die Kosten begrenzen. Es geht darum, nicht jedes Mal das Rad neu erfinden zu müssen. Gleichzeitig soll jedes Land seine eigene Kreativität und seine Ressourcen einbringen können – genau das verleiht dieser kulturell vielfältigen Show ihren besonderen Charme. Die Kunst besteht darin, den Ansatz der «gemeinsamen Produktion» so zu gestalten, dass Kosten reduziert werden, ohne dabei die Qualität oder die Einzigartigkeit des ESC zu verlieren.
Wie geht ihr mit der zunehmenden Politisierung des ESC um?
Das ist sicherlich eine der grössten Herausforderungen. Der ESC ist per Definition ein unpolitisches Ereignis, das Menschen durch Musik verbindet. Doch in unserer zunehmend polarisierten Welt wächst der Druck, den ESC als Plattform für politische Botschaften zu nutzen. Hier ist es unsere Aufgabe, gemeinsam mit der EBU klare Spielregeln aufzustellen und diese auch konsequent durchzusetzen, damit die Neutralität des Wettbewerbs gewahrt ist. Künstler:innen sollen sich frei entfalten können, und das Publikum aller Altersgruppen und Kulturen soll einen Ort der Kreativität und des gemeinsamen Feierns erleben.
Die Reference Group hat eine zentrale Rolle in der Entwicklung des ESC. Wie stellt ihr sicher, dass der Wettbewerb modern bleibt, ohne dabei seine Traditionen zu verlieren?
Der ESC hat sich in den letzten knapp 70 Jahren kontinuierlich weiterentwickelt. Unser Gremium trägt dazu bei, Veränderungen sorgfältig zu steuern und gleichzeitig Raum für Experimente zu schaffen. Ein gutes Beispiel dafür ist unser enger Austausch mit den letzten Austragungsländern. Die Expertise dieser Länder gibt wichtige Impulse für die Zukunft. Zusätzlich arbeiten wir eng mit dem Kernteam der EBU zusammen, das sicherstellt, dass Wissen systematisch weitergegeben wird. Ein aktuelles Strategieprojekt der EBU untersucht, wie die Marke «Eurovision Song Contest» noch sichtbarer und besser genutzt werden kann. Die Reference Group sorgt dafür, dass solche Ideen geprüft und – wo sinnvoll – umgesetzt werden.
Wie fördert die Reference Group den kulturellen Austausch und die Vielfalt beim ESC?
Der ESC ist ein einzigartiger Anlass, an dem rund 40 Länder zusammenkommen, um ihre kulturellen Perspektiven zu teilen. Die Reference Group sorgt dafür, dass diese Vielfalt erhalten bleibt und die Heterogenität als Stärke genutzt wird. Gleichzeitig stellen wir klare Regeln auf, um ein reibungsloses Zusammenspiel zu gewährleisten. Nach dem letzten ESC haben wir gemeinsam mit der EBU einen Reformprozess angestossen, der die Zusammenarbeit zwischen den Delegationen verbessern soll. Transparenz und Dialog sind dabei essenziell.
Wie funktioniert die internationale Koordination zwischen den teilnehmenden Ländern?
Kommunikation ist das A und O. Neben den festgelegten Meetings, wie dem Workshop der Delegationen im September oder dem ersten Treffen in der Gastgeberstadt, haben wir neu regelmässige Calls nach den Sitzungen der Reference Group eingeführt. Hier können wir direkt über aktuelle Themen informieren und Feedback einholen. Zusätzlich schätze ich den bilateralen Austausch sehr. Als Chairman habe ich oft direkten Kontakt zu den Delegationen, was mir hilft, ihre Anliegen besser zu verstehen und gezielt darauf einzugehen.
Die Marke Eurovision wird ständig weiterentwickelt. Welche Strategien verfolgt die Reference Group hier?
Wir arbeiten eng mit der EBU und Partnern wie Highlight Event und Once zusammen, um die Marke auf verschiedenen Plattformen erlebbar zu machen. Ein Beispiel ist der Junior Eurovision Song Contest, der ein enormes Potenzial hat, neue Zielgruppen zu erreichen. Solche Initiativen tragen dazu bei, die Marke ESC weiter zu stärken und global sichtbarer zu machen.
Technologische Innovationen spielen eine grosse Rolle beim ESC. Wie sieht die Zukunft in diesem Bereich aus?
Technologie war schon immer ein Treiber für den ESC. Ob bei Licht, Kameraführung oder LED-Technologie – die Shows von heute sind kaum mit denen von vor 20 Jahren zu vergleichen. Ein spannendes Thema ist die Rolle der künstlichen Intelligenz (KI). San Marino hatte 2024 einen Song im nationalen Finale, der mithilfe einer KI-Plattform entwickelt wurde. Am Ende wurde dieser Song zwar nur auf den siebten Platz gewählt und verpasste die Reise nach Malmö deutlich, aber das Beispiel zeigt, wie Technologien wie KI die Zukunft des ESC mitgestalten könnten.
Du wirst dein Mandat beim ESC 2025 abgeben. Was war dein persönliches Highlight als Chairman der Reference Group?
Da gab es viele, aber ein Moment bleibt mir besonders in Erinnerung: das traditionelle Treffen der Delegationen im September, zuletzt in Dubrovnik. Der kreative Austausch vor Ort in Workshops, im Plenum, beim Nachtessen am Hafen – diese Momente voller Energie haben mir gezeigt, was trotz aller Unterschiede möglich ist, wenn man ein gemeinsames Ziel vor Augen hat. Diese Erfahrung machen zu dürfen, ist ein echtes Privileg.
Der ESC kommt in die Schweiz
Nach dem Sieg von Nemo am Eurovision Song Contest in Malmö (Schweden) ist die Schweiz 2025 Austragungsort des Gesangswettbewerbs. Das Finale wird am 17. Mai in der St. Jakobshalle in Basel stattfinden. Organisatorin ist die SRG zusammen mit der Stadt Basel. Informationen zum ESC finden sich auf der offiziellen Website.

Design 2025: Das ikonische Eurovision-Herzsymbol steht für Dialog, Einheit und die verbindende Kraft der Musik. (Bild: SRG)