Kader- und Frauenförderung
Anne-Paule Martin (l.), Leiterin Onlineangebot bei RTS, und Veronica Alippi (r.), Leiterin Radionachrichten bei RSI, an einer internen Führungsausbildung der SRG.
Veronica Alippi, seit Oktober 2015 leiten Sie die Radionachrichten von RSI. Anne-Paule Martin, Sie sind seit 2013 für das Onlineangebot von RTS zuständig. Wie hat die Beförderung Ihr Berufsleben verändert?
Alippi: Mein Team ist nun wesentlich grösser. Bei den operativen Aufgaben musste ich zurückstecken, um mich um die Leitung dieser grossen Redaktion zu kümmern. Am Mikrofon und Desk bin ich jetzt weniger präsent. Anfangs war es hart, aber radikale Veränderungen gehören zu meiner neuen Rolle.
Martin: Ich habe beruflich immer alles gegeben – da hat sich also nichts geändert! Meine Arbeit ist aber komplexer geworden.
Weshalb haben Sie diese Stelle angenommen?
Alippi: Ich fand es an der Zeit, mich mehr beziehungsweise anders einzubringen. Und ich wollte eine Herausforderung annehmen, der ich gewachsen bin. Dazu fühlte ich mich bereit.
Martin: Ich wollte bei RTS frischen Wind und Mehrwert einbringen. Ausserdem entspricht diese Stelle meinem persönlichen Anspruch: Für mich muss meine Arbeit unbedingt einen Sinn haben.
Was sind die grössten Herausforderungen bei Ihren Führungsaufgaben?
Alippi: Die Vereinbarung des Tagesgeschäfts mit der strategischen Führung und Entwicklung eines Teams. Die Medienwelt hat sich in den letzten Jahren so stark verändert, dass wir uns laufend anpassen müssen.
Martin: Unser Auftrag steht infrage, unsere Finanzierung ist unsicher – jetzt muss ich alle motivieren, am selben Strick zu ziehen.
Was bringen interne Führungsausbildungen und -programme der SRG?
Alippi: Kürzlich habe ich meine erste Führungsausbildung besucht – das Management Development (MD). Die Ausbildung sieht auch Einzelcoachings vor. Das hat mir sehr viel gebracht. Ich kenne nicht alle Führungsausbildungen und -programme, aber der MD-Kurs war ein echter Gewinn.
Martin: Ich hatte die Chance, bei RTS/SRG verschiedene interne Schulungen zu besuchen. Jedes Mal habe ich neue Tools kennengelernt oder mein Wissen gefestigt.
Was ist für Sie als Führungsperson wichtig?
Alippi: Der Kontakt mit der Redaktion. Mein Team soll spüren, dass ich immer für alle da bin und sie unterstütze. An den Redaktionssitzungen bringe ich mich ebenfalls gerne ein, denke mit und will die Mitarbeitenden motivieren. Daher findet man mich auch ab und zu am Desk und am Mikrofon ...
Martin: Jede und jeder von uns muss sich bewusst sein, für wen wir letztlich arbeiten: fürs Publikum. Alles andere ist unserer Kreativität überlassen – alles ist möglich!
Wie viele Männer zählt Ihr Team – und wie viele Frauen?
Alippi: In meinem Team arbeiten 39 Männer und 21 Frauen. In der Leitung und bei den Sendungsverantwortlichen ist das Verhältnis 50/50. Bei den In- und Auslandskorrespondenten sind es wesentlich mehr Männer: 12 Männer auf 14 Korrespondentenstellen. Das gibt zu denken …
Martin: 15 Prozent meines Teams sind Frauen. Die Männer sind also deutlich in der Überzahl, vor allem in der lT-Entwicklung. Bei den digitalen Inhalten und den sozialen Medien ist das Verhältnis ausgewogener.
Was haben Sie für Ihren Alltag gelernt?
Alippi: Sehr viel. Als Führungsperson muss ich anders vorgehen. Ich bin nach wie vor Journalistin, vor allem aber bin ich zuständig für ein Team und für das Programm. Neu ist für mich auch der Stellenwert von Feedbacks, Delegieren und Vertrauen schenken, Begleiten von Veränderungsprozessen ... und vielem mehr.
Martin: Ich habe gelernt, die Ziele direkt anzupeilen und Prioritäten zu setzen. Und Alltagsquerelen lasse ich aussen vor, um den Fokus auf das Wichtige nicht aus den Augen zu verlieren!
Wie beurteilen Sie die Chancengleichheit und Frauenförderung bei der SRG?
Alippi: In meiner ganze Karriere bei der SRG hatte ich als Frau weder Vor- noch Nachteile. Jede Frau hat wohl schon erlebt, dass man sie zu Unrecht als dumm oder unfähig bezeichnet. Bei mir waren das aber Einzelfälle, die Unternehmenskultur hat damit nichts zu tun. Um Frauen in Führungspositionen zu fördern, müsste allerdings die Lohnstruktur transparenter sein. Und für Frauen mit Kindern unter vier Jahren müsste es mehr Angebote geben. Zudem sollte Jobsharing oder Teilzeit stärker gefördert werden.
Martin: Die SRG achtet auf Chancengleichheit und Frauenförderung. Bei der konkreten Umsetzung im Alltag muss man allerdings noch genau hinsehen.
Veronica Alippi
Laufbahn: Seit Oktober 2015 Leitung der Radionachrichten von RSI und einer Redaktion mit 60 Journalistinnen und Journalisten sowie Assistierenden. Journalistin bei RSI seit 1996. 2000 bis 2004 Mailand-Korrespondentin.
Privatleben: Meine Hobbys sind lesen, Musik hören, Sport (Fitness und Schwimmen) und Bergwanderungen. Ich bin ein totaler Sportfan und verfolge Wettkämpfe gern im Fernsehen. Wenn ich Zeit habe, feuere ich den Hockey Club Lugano im Resega-Stadion an.
Anne-Paule Martin
Laufbahn: Ausgebildete Radiojournalistin und seit 2013 Leiterin Onlineangebot bei RTS. Stellvertretende Chefredaktorin bei «Le Matin» und «Matin Dimanche», von 2011 bis 2013 zuständig für Digitales.
Privatleben: Ich liebe gutes Essen und neue Technologien. Ansonsten findet man mich häufig mit meiner Tochter an Konzerten, auf dem See oder in einer Kunstgalerie.