Gut vernetzter Service public

Eine Hommage an Jean-Bernard Münch

Auf das Ende der vierjährigen Amtszeit des Verwaltungsrats trat der bisherige Präsident J.-B. Münch zurück. Im Namen des Verwaltungsrats danke ich ihm für sein grosses Engagement für die SRG, das noch weit in die Zukunft nachwirken wird.
J.-B. Münch wurde am 20. September 2002 gemäss der damaligen gesetzlichen Regelung vom Bundesrat zum Präsidenten der SRG ernannt. Er übte dieses Amt ab dem 1. Oktober 2002 aus und wurde 2007 von der Delegiertenversammlung für eine weitere Amtsdauer wiedergewählt. In seiner neunjährigen Amtszeit hat er innerhalb der SRG viel bewegt. So wurden die Strukturen und die Governance des Vereins und des Unternehmens durch zwei Statutenänderungen angepasst. 

J.-B. Münch gab den Anstoss zu bedeutenden Geschäften wie der Vereinheitlichung der Kostenrechnung und der Festlegung eines systematischen Strategieprozesses. Letzterer ist unentbehrlich, um die immer schnelleren Veränderungen im Medienbereich bewältigen zu können. Dank seiner grossen Berufserfahrung und seiner umfassenden Kenntnis der Medienlandschaft, die er sowohl bei der SRG als auch auf internationaler Ebene erworben hatte, leitete er mehrere bedeutende Geschäfte mit grossem Geschick und vertrat diese erfolgreich gegenüber den Behörden: von der Revision des Radio- und Fernsehgesetzes (RTVG) über die Sanierung der Finanzlage bis zur Konvergenz von Radio und Fernsehen. 

Unser Dank gilt auch dem bisherigen Vizepräsidenten Claudio Generali und Elisabeth Veya – zwei langjährigen Verwaltungsräten, die ebenfalls auf das Ende des Berichtsjahrs zurückgetreten sind. Auch sie haben den tiefgreifenden Wandel der SRG mit Engagement und Kompetenz mitgeprägt.

Vernetzt durch die Trägerschaft

Die in den letzten Jahren realisierte Strukturreform hat der für den audiovisuellen Service public einzigartigen Organisationsform der Trägerschaft neuen Schwung verliehen. Nun geht es darum, die Reform auf institutioneller und organisatorischer Ebene vollständig umzusetzen. Die SRG ist ein Verein bestehend aus vier sprachregionalen Gesellschaften, die insgesamt gut 20 000 Mitglieder umfassen. Mit dem Verwaltungsrat als Vorstand betreibt dieser Verein das Unternehmen SRG, das rund 6000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zählt und Fernseh- und Radioprogramme in den vier Sprachregionen ausstrahlt. Im Zusammenhang mit der Strukturreform haben die vier Regionalgesellschaften zahlreiche Kompetenzen abgetreten. Gleichzeitig wurden ihnen neue Entscheidungs- und Antragskompetenzen eingeräumt, so insbesondere hinsichtlich der Programmkonzepte. Sie haben auch die wichtige Aufgabe, die öffentliche Diskussion über die Grundsätze und die Entwicklung des audiovisuellen Service public zu führen und zu fördern. Im Weiteren wählen sie repräsentative Publikumsräte, welche die Programmarbeiten mit ihren Feststellungen, Vorschlägen und Anregungen zu den ausgestrahlten Sendungen unterstützen. Auf diese Weise sorgen sie für einen engen Kontakt zwischen den Programmverantwortlichen, den Zuhörenden, den Zuschauenden und den Internetnutzenden. Der Verein SRG gewährleistet die demokratische Verankerung und die Verwurzelung des Unternehmens in der Zivilgesellschaft. Dank einem permanenten und offenen Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern ist er ein Garant für die Unabhängigkeit und die Qualität des audiovisuellen Service public sowie für die Einhaltung der Konzession und die sachgerechte Verwendung der Gebühren. Ausserdem ist er Ausdruck der Grundsätze und der Tradition des schweizerischen Milizsystems. Eine der prioritären Aufgaben des Verwaltungsrats besteht darin, für ein sinnvolles Gleichgewicht und die bestmögliche Zusammenarbeit zwischen den beiden Elementen des Vereins, das heisst der Trägerschaft und des Unternehmens, zu sorgen, um einen Service public aufrechtzuerhalten, der diesen Namen verdient und den Umständen seiner Zeit gerecht wird.

Vernetzt durch seinen Auftrag

Die demokratische Verankerung und der Dialog mit der Zivilgesellschaft sind untrennbar mit der Erfüllung unseres Auftrags verbunden. In einer Zeit, in der die Berechtigung und die Rolle des Service public recht häufig angezweifelt werden, müssen bestimmte Grundsätze in Erinnerung gerufen werden: Gemäss der Konzession hat die SRG in ihren Programmen das Verständnis, den Zusammenhalt und den Austausch unter den Landesteilen, Sprachgemeinschaften, Kulturen, Religionen und den gesellschaftlichen Gruppierungen zu fördern. Im Weiteren hat sie die Integration der Ausländerinnen und Ausländer in der Schweiz, den Kontakt der Auslandschweizerinnen und -schweizer zur Heimat sowie im Ausland die Präsenz der Schweiz und das Verständnis für deren Anliegen zu fördern.

Sie muss die Eigenheiten des Landes und die Bedürfnisse der Kantone berücksichtigen. Jede Sprachregion hat in ihren Informations- und Unterhaltungssendungen über die anderen Sprachregionen zu berichten. Die SRG-Medien fördern in der heterogenen Schweiz gemeinsame Erlebnisse, indem sie beispielsweise die Berichterstattung über Sportveranstaltungen gewährleisten und zur kulturellen Entfaltung und Bildung der Bevölkerung beitragen. Ein weiteres Beispiel für die öffentlichen Leistungen ist die Tatsache, dass die SRG ihr Angebot für Menschen mit einer Sinnesbehinderung zugänglich machen muss. Durch die Förderung des gegenseitigen Verständnisses und des solidarischen Miteinanders ist der Service-public-Auftrag untrennbar mit unserer Willensnation verbunden, die durch verschiedene politische und kulturelle Komponenten geprägt ist.

Die SRG hat von Gesetzes wegen dafür zu sorgen, dass die französische und die italienische Schweiz über Radio- und Fernsehprogramme und über eine audiovisuelle Produktion verfügen, die mit jenen der Deutschschweiz vergleichbar sind, und dass auch für die rätoromanische Schweiz ein Radioprogramm und Fernsehsendungen zur Verfügung stehen. Die Tatsache, dass die Minderheiten einen grösseren Teil der Einnahmen erhalten, als ihnen nach ihrem Bevölkerungsanteil zustehen würde, ist einer der entscheidenden Faktoren für den Erfolg des schweizerischen Föderalismus. Die SRG spielt auch hier die Rolle der Brückenbauerin und sorgt mit ihrer dezentralen Struktur für ein gewisses Gleichgewicht gegenüber den Printmedien, wo sich die Entscheidungszentren auf die Deutschschweiz konzentrieren. Und da die SRG mit hohem Aufwand dafür sorgt, dass die wichtigsten Programme auch in den entlegenen Regionen zu empfangen sind, hat sie sicherzustellen, dass sie ebenfalls dort präsent ist, wo das Publikum von morgen zunehmend anzutreffen ist, das heisst im Netz.

Vernetzt mit der Medienlandschaft und dem digitalen Zeitalter

Damit trifft sich die SRG mit der Presse auf dem gleichen Vektor, dem Internet. Gemäss Artikel 93 der Bundesverfassung muss der Gesetzgeber auf die Stellung und die Aufgabe anderer Medien, vor allem der Presse, Rücksicht nehmen. Diese Regelung ist im Interesse der SRG und der Verleger. Es ist wichtig, dass die Entwicklung beider harmonisch verläuft. Die gemeinsame Geschichte der SRG und der Presse war regelmässig von Konflikten gekennzeichnet, die schliesslich immer gelöst werden konnten. So durften zum Beispiel anfänglich Nachrichtensendungen am Radio nur von einem Sprecher der SDA verlesen werden. Die Fernsehwerbung und der Teletext wurden gemeinsamen Gesellschaften der Presse und der SRG übertragen, aus denen sich später die Presse aus eigenem Antrieb zurückzog, weil sich die anfänglichen Befürchtungen als grundlos erwiesen hatten.

Auch was den Bereich der Onlinewerbung betrifft, ist die SRG überzeugt, dass eine für beide Seiten befriedigende Lösung gefunden werden kann. Es ist beispielsweise darauf hinzuweisen, dass die auf den SRG-Kanälen ausgestrahlten Fernseh-Werbespots die Abwanderung von Werbegeldern zu ausländischen Sendern vermindern und gesamtschweizerische, medienübergreifende Werbekampagnen ermöglichen, die auch der Presse zugutekommen.

Vernetzt mit dem Publikum

Die SRG bereichert die schweizerische Medienlandschaft mit ihrem audiovisuellen Fachwissen, das auch auf europäischer Ebene und darüber hinaus anerkannt und sehr geschätzt wird. Sie wurde schon sehr früh mit einer starken internationalen Konkurrenz und raschen Veränderungen bei den elektronischen Medien konfrontiert.

Die SRG ist zwar gewappnet, um die bevorstehenden Umwälzungen zu bewältigen, welche die schweizerische Medienlandschaft tiefgreifend verändern werden. Doch angesichts der raschen Entwicklungen in ihrem Wettbewerbsumfeld muss sie weiterhin äusserst aufmerksam und wachsam sein. Wie letztes Jahr angekündigt wurde, werden wir noch in diesem Jahr eine neue Angebotsstrategie erarbeiten und ihre Prinzipien den Gremien der Trägerschaft zur Vernehmlassung unterbreiten. Um die Kosten zu senken und die Strukturen des Unternehmens im Hinblick auf ein noch attraktiveres Angebot zu rationalisieren, werden parallel dazu die Konvergenz- und Effizienzprogramme mit grosser Entschlossenheit fortgesetzt.

Vernetzt mit den Mitarbeitenden

Die SRG durchläuft eine Phase des Wandels, die sowohl an den Verein  als auch an das Unternehmen hohe Anforderungen stellt. Die abschliessenden Arbeiten zur Umsetzung der Strukturreform und die Sparanstrengungen zugunsten einer Verbesserung des Angebots haben zusätzliche Arbeitsbelastungen, Ungewissheiten über die künftige Entwicklung und Veränderungen im beruflichen Alltag zur Folge. Während der ersten Monate meiner Tätigkeit bei der SRG haben mich das Engagement, die Professionalität und die Kreativität unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tief beeindruckt. Dasselbe gilt für die Vereinsmitglieder, die sich sehr motiviert für die Förderung des Service public einsetzen. So hat der Verwaltungsrat grosses Vertrauen in die Zukunft der SRG und freut sich darauf, zusammen mit dem Generaldirektor die anspruchsvollen Herausforderungen zu meistern, mit denen der Service public konfrontiert ist – und die den Herausforderungen entsprechen, die sich unserer Demokratie und unserem Föderalismus ganz allgemein stellen.

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