Qualitätsarbeit ist Dauerarbeit

Die SRG hat drei grosse Aufgaben zu meistern – eine mediale, eine betriebswirtschaftliche und eine politische.

Die Medien sind in einer Revolution. Als Johannes Gutenberg im 15. Jahrhundert den Buchdruck erfand, entfaltete sich die Informationsgesellschaft. Sehr viel später wurden das Radio und Fernsehen zur Verlängerung der Druckerpresse im elektronischen Zeitalter. Doch seit Ende des 20. Jahrhunderts leben wir dank Internet in der neuen Interaktionsgesellschaft: Was bedeutet das für den audiovisuellen Service public?

Wir haben ein Haupteingangstor zu unseren Radio- und Fernsehsendungen: die Kanäle. Die Mehrheit des Publikums geht nach wie vor via Kanal zu den Sendungen von RSI, RTR, RTS oder SRF. Und wir haben ein immer breiter werdendes Seitentor: das Internet; eine rasch wachsende Zahl von Menschen geht lieber via Internet zu unseren Sendungen.

Im Kanal sorgt eine gute Programmierung dafür, dass das Publikum von der einen zur nächsten Sendung dran bleibt statt abzuspringen. Wie locken wir aber diejenigen, die selten in die Kanäle gehen und deshalb nur via Internet SRG-Sendungen kennenlernen können? Indem wir attraktive Webseiten gestalten, in sozialen Medien auf unser Angebot hinweisen – und indem wir uns um eine starke schweizerische Produktion bemühen: Was auf SRG-Websites gesucht wird, sind in erster Linie nämlich Produktionen aus der Schweiz für die Schweiz.

Sollen die Sendungen, Audios und Videos ihr breites Publikum finden, muss die SRG nunmehr im Radio, Fernsehen und im Internet überzeugen. Daran hat sie 2011 weiter gearbeitet:

  • Die Fusion von Radio und Fernsehen in der Deutschschweiz (SRF) war ein Meilenstein auf dem langen Weg der Konvergenz, also dem Zusammenwachsen der Medien. In der Romandie und der italienischsprachigen Schweiz kamen RTS und RSI, die den Weg ein Jahr früher eingeschlagen hatten, ebenfalls gut voran, während ihrerseits die kleine rätoromanische Unternehmenseinheit RTR seit je konvergent arbeitet.

  • Selbstverständlich muss sich nach grossen Umbauten vieles einspielen; die neuen Möglichkeiten, die das Zusammenwirken der Medien eröffnet, lassen sich je länger, desto besser nutzen. Ein vielversprechender Auftakt war das Vorhaben «Treffpunkt Bundesplatz», wo im eidgenössischen Wahlkampf Radio, Fernsehen und Online, aber auch die vier Landesteile aufeinander zugingen.

  • Die Digitalisierung des Radios (DAB+) schritt gut voran; da zeichnet sich allmählich der Durchbruch ab.

  • Schliesslich wurden der Wechsel zum hochauflösenden Fernsehen HDTV (der am 29. Februar 2012 erfolgte) und der baldige Eintritt in die neue Ära des Internet-Fernsehens, auch Hybrid-Fernsehen genannt, vorbereitet.


Illustrierte Bücher verbinden Text und Bild, Film und Fernsehen verbinden Bild und Ton. Das Internet ist in der Geschichte der Menschheit und ihrer Medien die erste Plattform, die untrennbar Bild, Ton und Text verknüpft. Raison d’être, Kernkompetenz und Wettbewerbsvorteil des Medienhauses SRG ist das Audiovisuelle, also Bild und Ton – aber ohne Text geht es heute nicht. Kernkompetenz der meisten privaten Medienhäuser ist der Text – aber ohne Bild und Ton geht es für sie nicht mehr, denn Videos sind der Motor des Internets.

Das spricht für gezielte Kooperationen zwischen SRG und Privaten. In unserer audiovisuellen Epoche sorgt der zu 70 Prozent mit öffentlichem Geld finanzierte Service public für eine (auf dem viersprachigen kleinen Markt unrentable) professionelle audiovisuelle Produktion, die sich gegen die mächtige internationale Konkurrenz behaupten kann. Die SRG ist im Rahmen einer grösseren Übereinkunft mit privaten Medienhäusern bereit, ihnen ihre aktuellen Videos zur Verfügung zu stellen.

Auch die Entwicklung auf dem Werbemarkt spricht für ein Umdenken. Hierzulande leben acht Millionen Menschen und gibt es drei Millionen Nutzerinnen und Nutzer von Facebook, noch mehr surfen täglich zu Google. Keine Schweizer Internet-Werbeplattform hat diesen zugleich globalen und lokalen Anbietern gegenüber die kritische Masse an Nutzern. Hier würden punktuelle Kooperationen – etwa beim Vermarkten bestimmter Formen von Werbung – den Schweizer Medien- und Werbeplatz stärken, statt dass noch mehr Werbefranken unwiederbringlich ins Ausland fliessen und dem Schweizer Journalismus verloren gehen. Auf Wunsch des Bundesrats, der Internet-Werbung bei der SRG grundsätzlich begrüsst, haben wir das 2010 aufgenommene Gespräch mit dem Verlegerverband «Schweizer Medien» fortgeführt, auf der Suche nach fairen, handfesten Kompromissen zum Nutzen beider Seiten. Das Ergebnis dürfte 2012 feststehen.

Im digitalen Zeitalter ändern sich nicht nur das Angebot der Medien und das Verhalten der Mediennutzer, sondern auch die Technologie. Heute macht man Radio und Fernsehen mit Software und nicht länger mit voluminösen Geräten. Anders gesagt ist die SRG eine IT-Baustelle und wird es auf Jahre hinaus bleiben, mit allen Chancen und Risiken. Sie hat in der Medientechnologie ein erstklassiges, für unser Land sehr wertvolles Know-how, das sie pflegt und ausbaut. Ein grosser Schritt war der Entscheid, in zwei Etappen – 2012 und 2015 – die vier verschiedenen Systeme für die Fernsehproduktion von Aktualität und Sport durch ein einziges zu ersetzen, was die Komplexität und Kosten mindern wird. Weitere Projekte zur Harmonisierung laufen.

Darüber hinaus hat die SRG (die laut Fachleuten zu den effizientesten Anbietern in Europa zählt) ihre Produktivität gesteigert. Ihre Kosten hat sie fest im Griff, auf überregionaler und regionaler Ebene laufen Sparprogramme. Solche Anstrengungen und die guten Werbeerlöse bedeuten: Die SRG ist wieder in den schwarzen Zahlen. Wir werden nicht nachlassen, wobei der angestrebte Wechsel der Pensionskasse vom Leistungs- zum Beitragsprimat im Umstellungsjahr einmaliges hohes Defizit verursachen dürfte. Das Unternehmen und seine Mitarbeitenden werden in den kommenden Jahren stark gefordert bleiben. Auf absehbare Zeit dürfte der Finanzrahmen der SRG bestenfalls so bleiben wie heute, tendenziell enger werden.

Was bedeutet das für die Sozialpartnerschaft, auf die wir setzen? 2011 begannen Gespräche über einen neuen Gesamtarbeitsvertrag und den erwähnten Primatwechsel der Pensionskasse. Die SRG ist eine gute Arbeitgeberin und will es bleiben. Eigentliche Ausbauten sind jedoch unrealistisch, bei gleichbleibenden Geldmitteln müssten sie durch Stellenabbau finanziert werden. Ziel ist: weiterhin exzellente Arbeits- und Anstellungsbedingungen einerseits, andererseits die unerlässliche Flexibilität im Umbruch der Medienwelt. Die SRG will keine falschen Erwartungen wecken, wo doch der Spielraum gering ist. Gute Lösungen werden noch anspruchsvoller.

Service public wird im digitalen Zeitalter, da die herkömmliche Arbeitsteilung zwischen Presse und SRG verwischt, neu diskutiert. Die SRG freut sich über diese politische Debatte und bringt sich ein. 2011 zeigte sich wiederholt: Das Volk und die starke Mehrheit der Volksvertreterinnen und Volksvertreter wissen, was die Schweiz an der SRG hat, bei allen Stärken und Schwächen ihres Angebots. Und da bleiben wir dran, denn Qualitätsarbeit ist Dauerarbeit. Die Redaktionen der SRG beugen sich immer wieder selbstkritisch über die eigenen Sendungen und das Onlineangebot. Vor allem aber haben sie Grund zum Stolz über die Gesamtleistung für einen attraktiven, glaubwürdigen Service public im härter werdenden Wettbewerb.

Neue oder altbewährte Radio- und Fernsehsendungen, eine gelungene Modernisierung und Rationalisierung bei Swissinfo, der Abschluss eines Fussballvertrags über Live-Spiele an allen Spieltagen der Meisterschaft (regelrecht ein Rendezvous der Fussball-Nation), mehr Berichte über die anderen Landesteile, Vorarbeiten für den landesweiten Themenmonat über Schweizer Geschichte 2013, die Erneuerung des Pacte de l'audiovisuel, der Partnerschaft mit der unabhängigen Schweizer Filmbranche: Das sind nur ein paar Schlaglichter aus der Vielzahl von Highlights.

Dafür ist zu danken: allen engagierten Kolleginnen und Kollegen in den vier Landesteilen; dem Kader, das in anspruchsvollen Zeiten des Umbaus dem Unternehmen einen Rahmen gibt; den erstklassigen Direktoren und Führungsteams von RSI, RTR, RTS, SRF und Swissinfo, deren Arbeit beeindruckt; meinen Kollegen der Geschäftsleitung SRG, die einzeln und im Team eine Glanzleistung erbringen; der Trägerschaft, die das Unternehmen mitträgt und seine Unabhängigkeit sichert; und nicht zuletzt – besonders – dem Volk, das die SRG finanziert. Ihm ist der Service public, der auch Service au public ist, verpflichtet.

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