Innovation in der SRG

Die Medienlandschaft wandelt sich im Zuge der digitalen Transformation rasch. Um den veränderten Gegebenheiten zu begegnen, setzt die SRG auf Innovationsförderung. Dazu gehört auch, dass bei der digitalen Produktentwicklung vermehrt agile Methoden eingesetzt werden – zum Beispiel bei der Streaming-Plattform Play Suisse oder der SRF News App.

Drei Innovationsprojekte, die 2022 zu reden gaben

Automatische Übersetzung für die rätoromanische Sprache

Maschinelle Übersetzungssysteme sind für viele Menschen zu einem gängigen Hilfsmittel im Alltag geworden. 2022 hat RTR zusammen mit der Firma Textshuttle ein Tool entwickelt, das die maschinelle Übersetzung von Rumantsch Grischun ermöglicht – sei es auf Deutsch, Französisch, Italienisch, Englisch oder umgekehrt. Die Entwicklung vereinfacht den Arbeitsalltag bei RTR: Die Nachrichtenredaktionen können beispielsweise Agenturtexte maschinell ins Rätoromanische übersetzen, die Hintergrundredaktion kann automatisch Untertitel für die Inhalte auf Play Suisse generieren oder die Kommunikationsabteilung kann Medienmitteilungen auf einfache Weise in allen Landesprachen zur Verfügung stellen.

2023 soll das Übersetzungstool für alle rätoromanischen Idiome weiterentwickelt und von Textshuttle permanent öffentlich zugänglich gemacht werden. Weitere interne Anwendungen werden aktuell geprüft, so auch die automatische Übersetzung der Website rtr.ch. Zum Tool geht’s hier.

Bernard Bearth, Projektverantwortlicher bei RTR: «Gemeinsam mit Textshuttle hat RTR Pionierarbeit geleistet. Dank des Übersetzungstools können wir endlich rätoromanische Texte automatisch übersetzen lassen. Die Eigenentwicklung bietet tolle Möglichkeiten bei der digitalen Anwendung der kleinsten Landessprache.»

Die Software für die automatische Textübersetzung (Bild: RTR/Textshuttle)

Dank künstlicher Intelligenz mehr Videozusammenfassungen von Sportereignissen

RTS hat Ende 2022 ein «Proof of Concept» initiiert mit dem Ziel, den unterschiedlichen Zielgruppen auf sie zugeschnittene Videozusammenfassungen von Fussballspielen bereitzustellen. Das Konzept soll zeigen, dass Sportjournalist:innen dank künstlicher Intelligenz (KI) und Matchdaten der Swiss Football League (SFL) künftig mehr Videoinhalte erstellen können.

Die künstliche Intelligenz erkennt wichtige Spielszenen aus den verschiedenen Schweizer Fussball-Ligen und verbindet diese mit Matchdaten, beispielsweise der Aufstellung der Mannschaft oder Spielvorfällen wie Freistösse oder Verwarnungen. Basierend auf den automatisch generierten Vorschlägen treffen die Sportjournalist:innen eine redaktionelle Auswahl, um auf die Region und die Zielgruppe zugeschnittene Videozusammenfassungen zu erstellen. Dank der Vorarbeit der künstlichen Intelligenz können sich die Journalist:innen auf die Aufgaben mit hohem Mehrwert konzentrieren.

Laurent Gayout, stellvertretender Chefredaktor Sport Online, Actualité et Sports RTS: «Der Nutzen dieser Lösung besteht darin, automatisch Spielzusammenfassungen für weniger beachtete Sportarten zu erstellen – zum Beispiel Ski Nordisch, Handball, Basketball, Unihockey oder Volleyball. Aktuell haben die Redaktionen bei SRF, RTS und RSI aufgrund fehlender personeller Ressourcen nicht die Möglichkeit, diese Sportarten angemessen aufzubereiten.»

Die künstliche Intelligenz erkennt wichtige Szenen aus einem Fussballspiel und verbindet diese mit den Matchdaten (Bild: RTS).

Mehrsprachige barrierefreie Livestreams und Onlinemeetings

SWISS TXT Accessibility Services hat 2022 die sogenannte «LiveAccess»-Plattform entwickelt, um Livestreams und Onlinemeetings mehrsprachig und barrierefrei zugänglich zu machen. Über eine Desktop-Applikation und eine Weblösung ermöglicht «LiveAccess» den einfachen Zugang zur Live-Transkription des Gesprochenen und eine automatische schriftliche Simultanübersetzung in eine beliebige Sprache. Je nach Anwendungsfall werden automatische Systeme sowie Respeaking und Korrekturoptionen effizient miteinander kombiniert. Die Anwendung ist nützlich für Menschen mit Hörbehinderung, fremdsprachigem Hintergrund oder alle anderen, die lieber mitlesen statt nur zuhören.

2023 ist die vollautomatische Version sowie die Integration von Gebärdensprache und synthetischer Sprachausgabe geplant, was das «Zuhören» wie beim Simultanübersetzen ermöglicht. Die «LiveAccess»-Plattform ist für alle Unternehmenseinheiten der SRG und auch öffentlich auf dem Markt verfügbar. Mehr Informationen zu «Accessible Online Events» finden sich hier.

Michaela Nachtrab, Abteilungsleiterin Business Development Accessibility Services SWISS TXT: «Mit ‹LiveAccess› haben wir eine Vision im Sinne der Diversität umgesetzt: Wir ermöglichen allen Menschen den einfachen Zugang zu mehrsprachigen Livestreams, Onlinemeetings und ‑veranstaltungen – und das in allen vier Schweizer Landessprachen sowie in Englisch, Ukrainisch und auf Wunsch auch in anderen Sprachen.»

Die «LiveAccess»-Plattform ermöglicht eine Live-Textanzeige des Gesprochenen während eines Onlinemeetings (Bild: SWISS TXT).

Digitale Produktentwicklung – zwei Produkte, zwei Ansätze

SRF News App: «Der Aufwand und die Transparenz haben sich gelohnt»

Patricia Marchetti
Co-Projektleiterin SRF News App (Bild: SRF/Gian Vaitl)

Patricia, die weiterentwickelte SRF News App ist seit August 2022 verfügbar. Welches waren 2022 die wichtigsten Meilensteine?

Die Veröffentlichung im Apple App Store und im Google Play Store war klar das Highlight, weil wir dadurch unseren Nutzer:innen endlich die neu entwickelten Features wie die Audio-Playlist, den Videobereich und die schlankere Navigation präsentieren konnten. Zu erwähnen sind aber auch die publizistischen Anpassungen. Denn wir setzen bewusst auch auf neue Themen, die sich spezifisch an jüngere Zielgruppen richten. Schliesslich war für uns auch die Marketing-Kampagne ein wichtiger Moment, weil wir auch diejenigen Menschen ansprechen wollen, die wir mit unseren Kanälen nicht oder nur schlecht erreichen.

Wie geht ihr im Team bei der digitalen Produktentwicklung vor?

Der Fokus liegt klar auf den potenziellen und aktuellen Nutzer:innen: Was sind ihre wichtigsten Bedürfnisse? Wie können wir diese am besten erfüllen? Wie erreichen wir die jüngeren Zielgruppen besser? Diese Fragen sind ständige Begleiter bei der Produktentwicklung. Dafür messen und analysieren wir die Nutzung laufend, machen zum Beispiel A/B-Tests, reden mit Nutzer:innen, werten Feedbacks aus und testen Ideen. Speziell erwähnen möchte ich das Beta-Testing, für das wir zwischen Mai und Juni 2022 über 1200 Personen rekrutiert haben, welche die App während mehrerer Tage nutzten und uns Auskunft über ihre Erfahrungen gaben.

Was bedeutet dieses Vorgehen für die interne Zusammenarbeit?

Das Projektteam bestand aus rund zwanzig Vertreter:innen aus den verschiedensten Disziplinen wie Redaktion, UX-Design, Entwicklung, Produkt- und Kanalmanagement sowie Marktforschung und -analyse. Erfolgsfaktoren waren die flachen Hierarchien und die agile Arbeitsweise mit regelmässigen Feedbackschlaufen, welche besonders in der ersten Phase des Teambuildings sehr wichtig waren. Man darf nicht vergessen: Das Produkt wurde fast gänzlich im Homeoffice entwickelt, mitten in der Pandemie.

Welches sind die Herausforderungen dieser Arbeitsweise?

Die grösste Herausforderung ist meines Erachtens die Kommunikation – und zwar auf allen Ebenen. Bei einem Projekt wie der News App gibt es unzählige Schnittstellen, Stakeholder und involvierte Teams. Das ganze Projektteam hat viel Zeit investiert, um das Vorgehen zu erläutern, Zwischenergebnisse bekannt zu machen und Produktentscheide zu erklären, beispielsweise warum wir ein bestimmtes Feature nicht mehr anbieten oder warum wir eine Rubrik neu einführen. Der Aufwand und die Transparenz haben sich gelohnt: Wir konnten frei arbeiten und haben intern viel Vertrauen genossen.

Wenn du auf das Jahr 2022 und die Arbeit in eurem Entwicklungsteam zurückblickst, was ist das «Wort des Jahres» und warum?

«Mutausbruch». Diese Wortkreation hat uns eine externe Projektbegleiterin nähergebracht. Wir haben zum Beispiel auf gewisse Features verzichtet, die nicht mehr ins Produkt passen. Oder wir haben wenig genutzte Features erst später nachgeliefert, damit wir das erste Update früher herausgeben konnten. Das passte natürlich nicht allen und wir mussten gut abwägen, wie viel wir unseren treuen Nutzer:innen zumuten können. Dieser «Mutausbruch» betrifft übrigens auch die Geschäftsleitung von SRF, die dem Produktteam in diesen Fragen viel Vertrauen entgegenbrachte.

Play Suisse: «Bei uns dreht sich alles um die Nutzer:innen»

Pierre-Adrian Irlé
Leiter Play Suisse (Bild: RTS/Jay Louvion)

Pierre-Adrian, die Streaming-Plattform Play Suisse hat im November 2022 ihr Zwei-Jahr-Jubiläum gefeiert. Welche weiteren Meilensteine habt ihr 2022 erreicht?

2022 haben wir unser Angebot in allen Bereichen weiterentwickelt. So haben wir zum Beispiel das Login-Verfahren mit Swisscom blue TV stark vereinfacht, was den Zugang zu Play Suisse erleichtert. Etwas vom Wichtigsten waren jedoch die Fortschritte, die wir bei der Datenverarbeitung gemacht haben. Dadurch können wir besser verstehen, wie Play Suisse genutzt wird, und können das Angebot gezielt verbessern.

Wie geht ihr im Team bei der digitalen Produktentwicklung vor?

Bei uns dreht sich alles um die Nutzer:innen. Um ihre Bedürfnisse richtig zu verstehen, stützen wir uns auf die Nutzungsdaten und Nutzer:innenforschung. Wenn wir eine schlechte Performance feststellen wie beispielsweise bei der Konversionsrate der Landingpage, das heisst bei der Anzahl Logins von der Startseite aus, dann wenden wir uns an die Nutzer:innen. Denn wir wollen genau verstehen, was nicht stimmt. Anschliessend probieren wir verschiedene Lösungen aus und lassen diese testen. Wir beobachten dabei die Testpersonen, wie sie mit unseren Innovationen interagieren.

Was bedeutet dieses Vorgehen für die interne Zusammenarbeit?

Einfach ausgedrückt ist unser Team nicht nach einem klassischen hierarchischen Modell organisiert, sondern arbeitet wie ein Netzwerk, in dem alle ihre Vorschläge einbringen können. Den Rahmen für unsere Arbeit bildet eine agile Methode, die es uns ermöglicht, die Unternehmensziele mit den Bedürfnissen der Nutzer:innen in Einklang zu bringen. Das Play-Suisse-Team ist in drei Arbeitsgruppen organisiert, die für Inhalt, Produkt und Marketing zuständig sind. Jede Gruppe stellt ihre Arbeit regelmässig dem Rest des Teams vor. Und zu guter Letzt messen wir die Auswirkungen all unserer Tätigkeiten mit quantitativen Methoden.

Welches sind die Herausforderungen dieser Arbeitsweise?

Einen ständigen Dialog mit unserer Community aufrechtzuerhalten und ihre spezifischen Bedürfnisse auf unsere Unternehmensziele abzustimmen, ist eine grosse, aber unausweichliche Herausforderung für uns als digitales Service-public-Medium. Wir haben unser Team mit neuen Berufsprofilen wie Daten- und UX-Expert:innen erweitert, was ebenfalls herausfordernd ist, aber vor allem eine grosse Lernquelle für uns.

Wenn du auf das Jahr 2022 und die Arbeit im Play-Suisse-Team zurückblickst, was ist das «Wort des Jahres» und warum?

Daten! Dank der grossen Fortschritte, die wir in diesem Bereich gemacht haben, können wir die Auswirkungen von dem, was wir tun, immer besser erfassen. Vor allem aber ermöglichen uns die Daten, viele neue Projekte in den Bereichen Personalisierung der Angebote und Verbindung zur Community anzugehen. Natürlich sammeln wir keine personenbezogenen Daten, sondern nur anonymisierte Nutzungsdaten wie Streamingdauer oder die Anzahl Visits. Denn Datenschutz wird bei uns gross geschrieben.