Nachhaltige Produktionen

Das Produzieren von TV-, Radio- und Onlineangeboten verursacht CO2-Emissionen. Insbesondere Film- und TV-Produktionen fallen ins Gewicht. Die SRG ist sich dieser Problematik bewusst und hat im Rahmen des Pilotprojekts «Green Production» einen CO2-Rechner entwickelt. Auch bei den Vorbereitungen für die Olympischen Spiele in Paris 2024 ist der SRG die Nachhaltigkeit ein zentrales Anliegen.

«Der Transport fällt am meisten ins Gewicht»

Christine Woolgar
Produktionsentwicklerin SRF und Projektleiterin
«Green Production» (Bild: SRF)

«Es ist zentral, bereits bei der Planung an die Nachhaltigkeit zu denken.»

2022 hat die SRG das nationale Pilotprojekt «Green Production» lanciert. Ziel des unter­nehmens­weiten Projekts war es zunächst, einen Schweizer Rechner für den CO2-Ausstoss von TV- und Filmproduktionen zu entwickeln. Dieser war im Frühling 2023 einsatzbereit. Das Projekt­team begann dann, Daten von ausgewählten TV- und Serien­produktionen zu erfassen, um die besonders klimarelevanten Produktionsaktivitäten zu eruieren.

Christine, Hand aufs Herz, wie nachhaltig produziert die SRG?

Gemessen an internationalen Standards für «Green Production» sind wir schon ziemlich gut unterwegs. Wir wissen das erst, seit wir 2023 ein unternehmensweites Pilotprojekt mit ausgewählten Sendungen durchgeführt haben. Vorher erfassten wir keine Daten, wie viele Emissionen unsere Produktionen ausstossen. Wir hatten auch keine Instrumente dazu. Deshalb haben wir mit der Zürcher Filmstiftung und Cinéforom den «Swiss CO2-Calculator Film & Media» lanciert. Der Rechner steht mittlerweile der ganzen Schweizer Filmbranche kostenfrei zur Verfügung.

Auch andere öffentliche Medienhäuser wie die BBC arbeiten mit vergleichbaren CO2-Rechnern. Warum habt ihr einen eigenen Schweizer Rechner entwickelt?

Die BBC ist eine tolle Inspiration für uns. Sie produziert mittlerweile alle Produktionen gemäss den englischen «Green Production»-Standards. Ein Schweizer Rechner war nötig, weil sich die CO2-Faktoren je nach Land stark unterscheiden, beispielsweise aufgrund des Strommixes. Wir nutzen ausserdem den Vorteil, dass Mobilitätsdaten in der Schweiz sehr genau erfasst werden und bei Fahrzeugen nicht nur der Verbrauch, sondern auch die Herstellung, Infrastruktur und Entsorgung berücksichtigt werden. So wird ein echter Vergleich unterschiedlicher Optionen erst möglich. Zudem wollten wir den Rechner in drei Landessprachen sowie in Englisch anbieten.

Wie funktioniert der Schweizer CO2-Calculator?

Wir analysieren vier Bereiche einer Film- oder TV-Produktion: Zunächst ermitteln wir den Energieverbrauch der verwendeten Infrastruktur, also Strom, Heizung und Kühlung. Als Nächstes erfassen wir sämtliche Personen- und Materialtransporte sowie Übernachtungen. Ein weiterer Bereich ist die Verpflegung. Und zu guter Letzt erfassen wir das verwendete Material, zum Beispiel beim Dekorbau oder bei den Kostümen, und natürlich die Menge an Abfall. Anhand der Daten aus den vier Bereichen berechnen wir, wie viel CO2 die Medienproduktion gesamthaft erzeugt.

Der Rechner war 2023 unternehmensweit bei zwölf TV- und Serienproduktionen der SRG im Einsatz: Wie habt ihr die Produktionen ausgewählt?

Uns war wichtig, unterschiedliche Sendungen zu erfassen, um ein Gespür für die Grössen des CO2-Verbrauchs zu bekommen. Im Newsbereich haben wir «Il Quotidiano» von RSI gewählt, beim Sport eine Meisterschaft im Kunstturnen. Als Studiosendung eignete sich die Quizshow «1 gegen 100» von SRF und bei den Serien untersuchten wir unter anderem «Hartes Pflaster» von RTS.

Was waren die wichtigsten Erkenntnisse?

Überraschend war, dass bei allen erfassten Sendungen der Transport am meisten ins Gewicht fiel, selbst bei der Studiosendung «1 gegen 100». Ich hätte stattdessen erwartet, dass der Energieverbrauch des Fernsehstudios viel CO2 erzeugt. Da wir aber an allen SRG-Standorten Ökostrom beziehen und schon einen grossen Teil der Beleuchtung auf LED umgestellt haben, hatte das weniger Gewicht als erwartet. Die 100 Kandidat:innen jedoch, die zu uns ins Studio reisten, erzeugten eine bedeutende Menge an CO2, weil sie zum Teil mit einem Verbrennerfahrzeug an den Leutschenbach kamen. Generell gilt: Auf eine Sende­minute gerechnet haben News- und Sportsendungen meist einen kleinen Fussabdruck, Unterhaltungssendungen sowie Filme und Serien hingegen einen viel grösseren.

Kann der CO2-Calculator zur Analyse sämtlicher Radio- und Fernsehsendungen herangezogen werden?

Absolut. Die «Green Production»-Bewegung kommt zwar vom Film, kann aber ohne Weiteres auch im TV-, Radio- oder Onlinebereich angewandt werden. Der Vorteil bei Filmen oder Serien ist, dass die externen Produktionsfirmen die gesamte Ausrüstung jeweils mieten und dadurch schneller auf nachhaltige Entwicklungen reagieren können.

«Der Wandel in den Köpfen der Menschen braucht Zeit.»

An unseren SRG-Standorten sind wir jahrzehntelang an unsere Infrastruktur und unseren Fuhrpark gebunden. Dies hat wiederum den Vorteil, dass wir auf unser eigenes Dekorlager und unsere Werkstätten zurückgreifen können, wo wir so viel wie möglich wiederverwenden.

Wo setzt die SRG an, um den CO2-Ausstoss bei ihren Fernseh- und Filmproduktionen weiter zu reduzieren?

Wir haben festgestellt, dass es zentral ist, bereits bei der Planung an die Nachhaltigkeit zu denken. So lässt sich auf die Drehorte oder die Produktionsart Einfluss nehmen. Zum Beispiel kann im Sport durch «Remote Production» (siehe auch Artikel unten) die Reisetätigkeit stark reduziert werden. Um aber ein Produktionsteam hinsichtlich Nachhaltigkeit beraten zu können, braucht es ausgebildete Fachkräfte. Da setzen wir nun an. Bei SRF und RSI beispielsweise bildet sich eine Gruppe von Mitarbeiter:innen aus unterschiedlichen Abteilungen zu «Green Consultants» weiter.

Mit welchen Herausforderungen seid ihr konfrontiert?

Uns Nachhaltigkeitsbeauftragten geht es natürlich nicht schnell genug. Wir müssen uns immer wieder vor Augen führen, dass der Wandel in den Köpfen der Menschen Zeit braucht. Vor zehn Jahren hat kaum jemand die Flugreise in Frage gestellt. Heute wägen wir das sorgfältiger ab. Fakten wie der CO2-Verbrauch ermöglichen uns, die Sache objektiv anzugehen. Zu erwähnen ist aber, dass es nicht ganz einfach ist, die Daten zu erheben. Beispielsweise haben wir in älteren Gebäuden nicht die Möglichkeit, den Stromverbrauch einzelner Studios oder Räume zu messen. Auch die Beladung eines Lastwagens in Tonnen abzuschätzen, ist eine Herausforderung – und Messen ist aufwändig. Die Produktionsteams arbeiten bereits heute unter Zeit- und Kostendruck, nun sollen sie auch noch nachhaltig produzieren. Das kommt nicht überall gut an. Ein Umdenken im Sinne der Nachhaltigkeit bringt jedoch fast immer einen zusätzlichen Nutzen, sei es im finanziellen oder sozialen Bereich.

 

CO2-Calculator: Neues Instrument für die Medien- und Filmbranche

Wie viel CO2 erzeugt eine Sportproduktion? Wie viel Energie spart LED-Studiolicht? Diese Fragen lassen sich mithilfe des «Swiss CO2-Calculator Film & Media» beantworten. Mit dem webbasierten Tool können die Emissionen von Film-, Online- und TV-Produktionen berechnet werden – anhand von Produktionsdaten zu Stromverbrauch, Transport und Materialeinsatz. Der Rechner ermöglicht den Produktionsteams, die klimarelevanten Aktivitäten pro Produktionsphase zu eruieren und schliesslich die Emissionen zu reduzieren. Das Pilotprojekt mit ausgewählten Sendungen bei RSI, RTS und SRF lief von Oktober 2022 bis März 2023, mittlerweile steht der CO2-Rechner der gesamten Schweizer Medien- und Filmbranche zur Verfügung. Der CO2-Calculator ist in einer Kooperation zwischen der SRG, der Zürcher Filmstiftung und Cinéforom entstanden.

Olympische Spiele 2024: die Nachhaltigkeit im Fokus

Vom 26. Juli bis 11. August 2024 finden die Olympischen Spiele in Paris statt. Die SRG-Sender RSI, RTR, RTS und SRF produzieren je ein eigenes Sportangebot für TV, Radio und Onlinemedien. Bei der Planung ging es 2023 unter anderem darum, den ökologischen Fussabdruck der SRG im Vorfeld und während der Spiele in Paris möglichst klein zu halten. In folgenden drei Bereichen setzt die SRG den Hebel an.

Transport des Materials für die TV- und Radioproduktionen nach Paris und zurück

Die SRG hat ein Transportunternehmen gewählt, das auf Transportmittel mit reduziertem CO2-Ausstoss setzt. Vier elektrisch betriebene Lastwagen werden das gesamte Produktionsmaterial der SRG von der Schweiz nach Paris liefern. Damit ist der Materialtransport weitgehend CO2-neutral.

Transport der SRG-Mitarbeiter:innen nach Paris und zurück

Alle Mitarbeiter:innen der SRG – darunter Journalist:innen, Kameraleute, Moderator:innen und Kommentator:innen – werden mit dem öffentlichen Verkehr nach Paris und wieder zurück in die Schweiz reisen. Die SRG plant eine enge Zusammenarbeit mit TGV Lyria, damit auch grössere Gruppen von Mitarbeiter:innen gleichzeitig anreisen können.

Transport der SRG-Mitarbeiter:innen innerhalb von Paris

Die SRG-Mitarbeiter:innen werden in Paris grösstenteils mit dem öffentlichen Verkehr – mit Metro und Bussen – von ihren Unterkünften zu den Wettkampforten reisen. Für Kameraleute, die schweres Equipment transportieren müssen, ist eine kleine Anzahl von elektrisch betriebenen Mietautos vorgesehen.

Über 30 Anbieter, unter anderem die SRG, produzieren vor Ort an den Olympischen Spielen in Paris ein TV-, Radio- und Onlineangebot (Bild: Paris 2024/Florian Hulleu).

Drei Fragen an Sven Sarbach, Leiter Grossprojekte SRG Business Unit Sport

Bild: SRF

Sven, können Olympische Spiele überhaupt umweltschonend organisiert und durchgeführt werden?

Wir haben den Ansatz gewählt, zwischen von uns beeinflussbaren und nicht beeinflussbaren Faktoren zu unterscheiden. Hierfür haben wir analysiert, wie wir die benötigten Ressourcen möglichst umweltschonend einsetzen können – sowohl bei der Vorbereitung als auch vor Ort in Paris. Dabei haben wir drei Bereiche definiert: die Anreise unserer Mitarbeiter:innen, den Transport des Materials und das Reisen innerhalb von Paris. Bei diesen drei Faktoren setzen wir an und stellen die Nachhaltigkeit in den Vordergrund. Zudem ist wichtig zu wissen, dass die SRG einer von über 30 Anbietern ist, die vor Ort ein eigenes Programm produzieren. Wir können also den CO2-Abdruck der Olympischen Spiele nur geringfügig beeinflussen.

Welche weiteren Hebel gibt es neben dem Transport, um den CO2-Fussabdruck der SRG an den Olympischen Spielen zu verbessern?

Es ist eine Gratwanderung: Einerseits soll die Berichterstattung der SRG über die Olympischen Spiele und die Schweizer Athletinnen und Athleten möglichst umfassend und authentisch sein, um die Erwartung des Publikums zu erfüllen. Andererseits sollen wir so effizient wie möglich arbeiten. Deshalb setzen wir auch während dieser Olympischen Spiele auf «Remote Production». Das heisst: Die Bildsignale werden via Glasfaser direkt in die Schweiz geschickt, statt sie vor Ort zu bearbeiten. So können viele Mitarbeiter:innen der Regie, Produktion und Technik während der Spiele in Zürich, Genf und Lugano arbeiten und müssen nicht extra nach Paris reisen.

Wie weit hat sich die SRG im Vergleich zu den letzten Sommerspielen in Tokio 2021 im Bereich der Nachhaltigkeit verbessert?

Die Olympischen Spiele in Tokio 2021 lassen sich diesbezüglich nicht mit den Spielen in Paris vergleichen. Paris 2024 sind die ersten Spiele seit 2012, die wieder in Europa stattfinden – nicht nur in unserer Zeitzone, sondern auch in einem Nachbarland. Das ist eine Chance für uns, den CO2-Fussabdruck bei Reise und Transport zu verringern. Bei den Spielen in Tokio 2021 war es beispielsweise unumgänglich, dass unsere Leute mit dem Flugzeug anreisten.

Die SRG an den Olympischen Spielen in Paris

Die vier sprachregionalen SRG-Sender RSI, RTR, RTS und SRF produzieren je ein eigenes, für ihre Sprachregion aufbereitetes Sportangebot für TV, Radio und Onlinemedien. Allein im Fernsehen sind SRG-weit über 700 Stunden Olympia-Programm geplant. Um den Fokus auf die Schweizer Athlet:innen zu richten und ein Programm für alle vier Sprachregionen aufzubereiten, braucht es journalistisches Personal am Austragungsort. Die vor Ort anwesenden Journalist:innen agieren als Augenzeug:innen und bieten dem Publikum so einen Mehrwert: Sie beschreiben das Geschehen am Veranstaltungsort und ordnen die Ereignisse für das Publikum in der Schweiz ein. Das ist grundlegend für eine unabhängige Berichterstattung und zentral für den Schweizer Fokus an internationalen Grossanlässen wie den Olympischen Spielen. Mitunter kommentieren SRG-Mitarbeiter:innen auch viele Entscheidungen live aus Paris, weshalb die SRG TV-Studios vor Ort betreibt. Die Hauptverantwortung für die Organisation der SRG-Delegation in Frankreich trägt das Team von Sven Sarbach, Leiter Grossprojekte der SRG Business Unit Sport (siehe Interview oben).

2021 ist die SRG der Initiative «Vorbild Energie und Klima» (VEK) des Bundes beigetreten. In dieser Initiative verpflichten sich Anbieter öffentlich relevanter Dienstleistungen und institutionelle Investoren, ihren Teil zur Eindämmung der Klimaerwärmung zu leisten. Aktuell beteiligen sich 20 Akteure daran.

Die Initiative ist eine Massnahme der Energiestrategie 2050 und fokussiert auf die Themen Energieeffizienz, erneuerbare Energien, ökologische Stromproduktion sowie auf klimaverträgliche Finanzflüsse. Um sich in diesen Bereichen zu verbessern, haben die Akteure 15 gemeinsame wie auch mehrere individuelle Massnahmen definiert. Die Akteure berichten regelmässig und transparent über ihre Zielerreichung. Zum «Energie- und Klimabericht 2022» geht es hier: