Künstliche Intelligenz

Künstliche Intelligenz (KI), neuronale Netzwerke und maschinelles Lernen sind in aller Munde. KI-Chatbots wie Chat GPT von Open AI oder Gemini von Google haben das Potenzial, unser Leben auf den Kopf zu stellen. Über Chancen und Risiken der künstlichen Intelligenz kann aktuell nur gemutmasst werden. Was bedeutet diese Entwicklung für ein Service-public-Unternehmen wie die SRG? Christian Vogg, Chief Data Officer, ordnet ein.

Christian Vogg
Chief Data Officer SRG (Bild: SRF/Oscar Alessio)

Die künstliche Intelligenz ist besonders für Medienunternehmen ein Thema von grosser Brisanz. Wo steht die SRG in dieser Diskussion?

Wir haben im Frühjahr 2023 eine KI-Taskforce gebildet. Zunächst haben wir unter der Führung des interregionalen Content Board Prinzipien zum Umgang mit der neuen Technologie erarbeitet. Dazu haben wir auch die KI-Regeln von anderen Medien­unternehmen im In- und Ausland analysiert. Unsere Prinzipien halten drei wesentliche Punkte fest: Erstens liegt die Verantwortung beim Einsatz von KI immer beim Menschen. Zweitens ist Transparenz erforderlich: Inhalte, die massgeblich mithilfe von KI erzeugt wurden, müssen als solche gekennzeichnet werden. Und drittens gilt es, die Vertraulichkeit zu wahren. Geschützte Daten dürfen keinen Eingang in KI-Tools finden. In der Praxis führt dies dazu, dass wir KI-Tools erst nach einer internen Prüfung für die Nutzung im Unternehmen freigeben.

Das heisst, bei der SRG kommt bereits künstliche Intelligenz zum Einsatz?

Die erwähnte Taskforce mit Vertreter:innen aller Unternehmens­einheiten arbeitet aktuell an einer 360-Grad-Auslegeordnung. Das Ziel ist aufzuzeigen, welcher Nutzen sich vor allem beim Einsatz von Tools aus der Familie der generativen KI ergibt und mit welchen Kosten und Risiken wir rechnen müssen. Unter generativer KI versteht man die künstliche Intelligenz, die aus den gelernten Inhalten auch bisher nicht Dagewesenes erzeugen kann. Wir versuchen insbesondere abzuschätzen, wie disruptiv diese Tools – also zum Beispiel bild-, video- oder tongenerierende KI-Systeme wie Chat GPT, Gemini, Copy.ai, Dall-E oder Midjourney – für uns als Service-public-Medien­unternehmen sein werden. Konkrete Massnahmen wollen wir im Laufe von 2024 vorschlagen und schrittweise umsetzen.

Ist künstliche Intelligenz mit Service public überhaupt vereinbar?

KI ist eine Technologie, die sich rasend schnell entwickelt und schon heute stark in unseren Arbeitsalltag eingreift. Wie bei jeder Technologie prüfen wir ihr Potenzial für unseren Bereich. Es gibt keinen Grund, KI per se nicht zu verwenden.

Wo sieht die SRG einen Mehrwert, wo ein Risiko der künstlichen Intelligenz?

Der Mehrwert besteht darin, Arbeitsabläufe effizienter zu gestalten. Da sich KI auf Daten stützt und wir auf dem Weg sind, ein datenbasiertes Unternehmen zu werden, sehen wir in allen Bereichen Einsatzmöglichkeiten: von der Planung, Herstellung und Distribution unserer Inhalte bis hin zur Erfolgsmessung und Gesamtsteuerung unserer Angebote. Dabei sind wir uns des Risikos bewusst, dass wir mit dem Einsatz von KI unser wichtigstes Gut, nämlich unsere Glaubwürdigkeit, beschädigen können. Daher ist uns ein schrittweises, vorsichtiges Vorgehen, zu dem auch die erwähnten Prinzipien gehören, wichtig. Das bedeutet auch, dass wir KI nicht immer einsetzen werden, auch wenn es technisch möglich wäre.

In welchen Bereichen experimentiert die SRG heute mit künstlicher Intelligenz?

KI-Tools sind bei unseren Unternehmenseinheiten RSI, RTR, RTS, SRF und SWI swissinfo.ch schon seit längerem im Einsatz. Sie werden beispielsweise genutzt, um Videos und Audios automatisch zu transkribieren. Unsere Westschweizer Kolleg:innen von RTS prüfen mit KI, inwieweit die Gleichbehandlung der Geschlechter im Fernsehen gewährleistet ist. SRF testet KI-Tools, mit welchen Texte für verschiedene Ausspielwege umgeformt und grosse Mengen an Videos effizienter durchsucht werden können. RSI nutzt KI in ihrer neuen News- und Sport-App, um das Verhalten der Nutzer:innen besser zu verstehen. Und wir haben eine externe Firma beauftragt, für alle Unternehmenseinheiten ein Tool zu bauen, das aus Videos automatisch die besten Vorschaubilder extrahiert.

Ist es denkbar, dass künftig Avatare die Newssendungen der SRG moderieren?

Technisch ist das schon seit etwa zwei Jahren möglich. Aber wir haben uns unter anderem aus Gründen der Glaubwürdigkeit dagegen entschieden. Unsere Sendungen sollen weiterhin von Menschen präsentiert werden.

Wo werden die Entscheide der SRG in puncto künstliche Intelligenz für das Publikum nachzulesen sein?

Unsere Prinzipien sind auf der Website der SRG veröffentlicht. Zudem haben die Unternehmenseinheiten teilweise bereits konkrete, auf den SRG-Prinzipien basierende Handlungsanweisungen zu KI erarbeitet und in die jeweiligen publizistischen Leitlinien aufgenommen.

KI-Beispiel: Extraktionstool für die Videovorschaubilder von SRF