Unternehmens- und Angebots­strategie

Am 27. Juni 2022 hat der Verwaltungsrat SRG die Unternehmens- und Angebotsstrategie 2023–2024 verabschiedet. Die Strategie soll den Anforderungen Rechnung tragen, die inmitten des digitalen Umbruchs an die SRG gestellt werden. Verwaltungsratspräsident Jean-Michel Cina und Generaldirektor Gilles Marchand kommentieren das Papier, das die grossen Prioritäten der SRG festlegt. 

«Wir setzen einen Schwerpunkt auf Dialog, Partizipation und Vielfalt»

Die SRG will in erster Linie zu einer offenen und pluralistischen Gesellschaft in der Schweiz beitragen. Wie will sie dies angehen?

Jean-Michel Cina: Zunächst einmal, indem wir an dem arbeiten, was uns unterscheidet: der Mehrwert, den wir bieten. Wir suchen uns unser Publikum nicht aus. Alle sind für uns gleich wichtig, unabhängig von ihren Interessen und ihrer Herkunft. Dieser Ansatz ist das Herzstück des Service public. Daher wollen wir im Dialog mit unserem Publikum sein und diesen weiter verstärken. Sehr wichtig und wertvoll sind dafür der Austausch mit den Regionalgesellschaften und die Abstimmung mit ihren Tätigkeiten. Zudem verfolgt auch der SRG-Bereich «Public Value», den wir nach der No-Billag-Abstimmung ins Leben gerufen haben, dieses Ziel.

Gilles Marchand: Ja, und dafür brauchen wir qualitativ hochwertige Programme und einen gradlinigen, unabhängigen Journalismus, der zwischen wahrer Information und Echokammern unterscheidet. Denn es ist heute absolut entscheidend, sich nicht in die Spirale der Fake News reinziehen zu lassen, die in den sozialen Netzwerken endlos weiterdreht.

Die digitale Entwicklung der SRG wird auf politischer Ebene manchmal bekämpft. Dennoch wird sie von der Öffentlichkeit zunehmend geschätzt. Wie sieht die Strategie der SRG in diesem Bereich aus?

GM: Es ist gleichzeitig einfach und kompliziert, denn wir müssen unser Publikum dort abholen, wo es sich aufhält. Wir können nicht mehr erwarten, dass es sich unsere Programme dann anschaut und anhört, wenn wir es wollen. Und deshalb passen wir unsere Formate und das Storytelling an.

JMC: ... und wir müssen mit den Jungen in Kontakt bleiben. Sie sind unsere Zukunft, und darauf müssen wir uns vorbereiten. Das gehört zu unserer kollektiven Verantwortung. Auf politischer Ebene müssen wir erklären, dass dies absolut notwendig ist, und gleichzeitig müssen wir berücksichtigen, dass der Schweizer Markt klein ist. Wir können nicht alles tun. Deshalb wollen wir uns stark machen, indem wir uns auf Audio und Video konzentrieren.

Das dritte Ziel der SRG-Strategie gibt vor, dass wir die Schweiz in den Fokus stellen und gleichzeitig die regionale Verankerung betonen. Ist das kein Widerspruch?

GM: Keineswegs! Wir müssen das Publikum zusammenbringen und gleichzeitig die Vielfalt pflegen. Das muss fein austariert sein, wie es die Schweiz als Ganzes ist. Unser Land definiert sich gerne über das, was es nicht ist. Die SRG hingegen zeigt, was die Schweiz gemeinsam hat, was sie eint.

JMC: Natürlich liegt die Nähe der Programme zu den verschiedenen Kulturen des Landes in der DNA der SRG. Aber es ist wichtig, dass wir auch gemeinsame Projekte durchführen. Das beste Beispiel ist Play Suisse, unsere nationale Streaming-Plattform. Noch nie gab es eine solche Brücke zwischen den Regionen. Das ist die Legitimität der SRG.

Ein weiteres Ziel der Strategie betrifft die Partnerschaften. Die SRG will einen starken Beitrag zum Schweizer Ökosystem leisten – in den Medien, der Bildung und der Kultur.  

GM: Das ist richtig. Die SRG ist ein Unternehmen mit einem öffentlichen Auftrag, der von der Allgemeinheit finanziert wird. Die Gesellschaft zählt darauf, dass wir eine konstruktive und nützliche Rolle spielen. Und diese beschränkt sich nicht auf die Beziehungen zu den privaten Medien. Wir wollen unsere Zusammenarbeit mit weiteren öffentlich-rechtlichen Unternehmen und Institutionen wie Hochschulen, Universitäten, unabhängigen Produzenten usw. ausbauen.

JMC: Und schliesslich entspricht dies auch einem strategischen Interesse. Denn unsere Reinvestitionen in Kultur, Bildung und Medienschaffen stärken wiederum unsere Präsenz und unsere Legitimität. Man muss dies in einer breiteren Perspektive sehen.

SRG-Präsident Jean-Michel Cina (rechts) und Generaldirektor Gilles Marchand: «Wir müssen das Publikum zusammenbringen und gleichzeitig die Vielfalt pflegen.» (Bild: SRG)

Die Entwicklung der Unternehmenskultur nimmt in der neuen Strategie einen wichtigen Platz ein. Ziehen wir hier die Lehre aus den Krisen, die wir bewältigt haben?

JMC: Ja, der Verwaltungsrat räumt der Unternehmenskultur eine hohe Priorität ein. Wir sind Verpflichtungen eingegangen und werden diese einlösen. Die Kultur muss sich ändern, und das tut sie auch. In einem Unternehmen mit gegen 7000 Mitarbeiter:innen, das dezentral und multikulturell aufgestellt ist, ist dies eine grundlegende und starke Bewegung. Natürlich braucht es Zeit und ist ein ständiger Prozess, aber wir sehen bereits konkrete Fortschritte.

GM: Wir setzen einen klaren Schwerpunkt auf den Dialog, die Partizipation und auf den Respekt gegenüber Vielfalt. Die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben ist ebenfalls ein Thema, das in unserer Gesellschaft immer wichtiger wird. Und wir versuchen, diesem Thema mit einer flexibleren Organisationsform gerecht zu werden. Schliesslich glaube ich, dass die Aussicht auf berufliche Mobilität und lebenslanges Lernen Grundpfeiler der Personalpolitik sind.

Die Effizienz taucht jedes Jahr wieder in der einen oder anderen Form unter den Zielen auf. Wie sieht es damit in den nächsten zwei Jahren aus?

GM: Wir haben grosse Anstrengungen unternommen, um die SRG in ein finanzielles Gleichgewicht zu bringen. Es sind keine weiteren Sparprogramme vorgesehen, da wir den Rückgang der Werbung in unser Budget einberechnet haben. Die Herausforderung liegt aber woanders. Um die neuen technologischen und digitalen Anforderungen zu bewältigen, müssen wir unbedingt pragmatisch und effizient zusammenarbeiten. Produktionssysteme, Informatik, Daten: Die Technologien sind immer stärker vernetzt und wir müssen gemeinsame Lösungen finden.

JMC: Das ausgeglichene Budget der SRG ist auch ein Mittel, um ihre Unabhängigkeit zu sichern. Und wir müssen garantieren, dass wir die notwendigen Investitionen finanzieren können. Die grossen Produktionsinfrastrukturen der SRG werden nun in allen Regionen ersetzt. Daher ist diese Zeit entscheidend, um die Zukunft vorzubereiten. Dank dieser Investitionen werden wir unsere Betriebskosten senken können, genauso wie unseren ökologischen Fussabdruck. Denn Nachhaltigkeit ist ein neues strategisches Ziel der SRG und nicht nur eine Antwort auf die drohende Energieknappheit. Sie ist ein grundlegendes Anliegen der SRG!

Unternehmens- und Angebotsstrategie 2023–2024

In einer globalen und digitalen medialen Welt im Umbruch will die SRG ihre Beziehung zur Gesellschaft in der Schweiz sicherstellen. Zudem führt sie auch die Menschen untereinander zusammen. Daher stützt sich ihre Strategie auf drei Säulen.