Medienpolitische Herausforderungen

Welche medienpolitischen Diskussionen haben den Medienplatz Schweiz 2022 geprägt? Und welche Themen werden die SRG 2023 beschäftigen? Eine Bestandesaufnahme.

Diskussion über Medienförderung geht weiter

Nachdem das Schweizer Stimmvolk das «Massnahmenpaket zugunsten der Medien» im Februar 2022 abgelehnt hatte, nahm sich das Bundesparlament wieder der Medienförderung an. Mehrere Parlamentarier:innen reichten Vorstösse ein, damit die aus ihrer Sicht unbestrittenen Bestandteile des Medienpakets umgesetzt würden. Dazu gehörten zum Beispiel die Ausweitung der Unterstützung für die Regionalpresse oder die indirekte Presseförderung über die Ermässigung bei der Zustellung von Tages- und Wochenzeitungen. Die Mehrheit der Vorstösse wurde im Laufe des Jahres aber abgelehnt. Der Bundesrat wird jedoch auf das Postulat Christ eingehen und bis im Frühjahr 2024 einen Bericht erarbeiten, in dem er die verschiedenen Szenarien für die zukünftige Medienförderung präsentiert. 

Ein Ansatz zur Unterstützung der Schweizer Medien ist die Einführung eines Leistungs­schutzrechts. Dazu wurde 2022 eine Vorlage entwickelt, die 2023 in die Vernehmlassung geht. Das Leistungsschutzrecht soll bewirken, dass Suchmaschinen und News-Aggregatoren Schweizer Medien für die kommerzielle Verwertung der publizistischen Inhalte entgelten müssen. Die Medienbranche – auch die SRG – steht diesem Vorhaben im Grundsatz positiv gegenüber, dies ergab ein vom Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) initiierter Mediendialog im Sommer 2022. Die SRG hat ein Interesse an einem starken Medienplatz Schweiz.

Neue Initiative gegen die SRG – oder «No Billag 2»

Im März 2022 – vier Jahre nach der Abstimmung über die Initiative «No Billag», welche die Abschaffung der Medienabgabe forderte – wurde die Volksinitiative «200 Franken sind genug» lanciert. Sie verlangt, dass die Medienabgabe für Haushalte auf 200 Franken reduziert und die Unternehmensabgabe komplett gestrichen wird. Gleichzeitig fordert die Initiative, dass der Abgabeanteil für private Radio- und Fernsehveranstalter auf dem heutigen Niveau bleiben soll. Ende 2022 war die Unterschriftensammlung für dieses Volksbegehren noch am Laufen (mehr dazu im Interview mit der Leiterin Public Affairs).

Medienabgabe und nächste SRG-Konzession

Die Medienabgabe wurde auch in anderen Kontexten thematisiert. Einerseits entschied das Parlament 2022, kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) nicht von der Medienabgabe zu befreien. Andererseits legte der Bundesrat fest, die SRG-Konzession unverändert um zwei Jahre zu verlängern und die Höhe der Haushaltabgabe bei 335 Franken pro Jahr zu belassen. Gleichzeitig nannte der Bundesrat bereits einige Eckwerte für die neue Konzession, die 2023 verhandelt und 2025 nach Entscheid des Bundesrats in Kraft treten wird. So soll die SRG ihren Onlineauftritt stärker auf Audio- und audiovisuelle Inhalte ausrichten und in den Bereichen Unterhaltung und Sport auf jene Bereiche fokussieren, die von anderen Anbietern nicht abgedeckt werden. Ausserdem solle sie ihren Transformationsprozess fortsetzen und weiterhin Angebote bereitstellen, die sich an die gesamte Bevölkerung und an alle Regionen des Landes richten.

Die SRG soll gemäss Bundesrat auch künftig Angebote für alle Regionen der Schweiz bereitstellen. Hier: RTR im Interview mit dem 2022 wiedergewählten Bündner Regierungsrat Jon Domenic Parolini (Bild: RTR).

Ein erneuter Angriff auf den medialen Service public

Martina Vieli ist Leiterin Public Affairs bei der SRG. Im Interview spricht sie über die im März 2022 lancierte Volksinitiative «200 Franken sind genug» und die Haltung der SRG.

Martina Vieli
Leiterin Public Affairs und Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung SRG (Bild: SRG)

Wo steht die Initiative aktuell und wie geht es in den nächsten Jahren weiter?

Die Initiative ist am 1. März 2022 lanciert worden und die Unterschriftensammlung hat am 31. Mai 2022 begonnen. Das Komitee hat nun bis am 1. Dezember 2023 Zeit, um die nötigen 100'000 Unterschriften zu sammeln – gut möglich, dass sie früher zusammenkommen. Sobald die Bundeskanzlei die Unterschriften validiert hat, beginnt die parlamentarische Phase. Der Bundesrat und anschliessend das Parlament werden die Initiative behandeln und zur Ablehnung oder Annahme empfehlen. Beide haben auch die Möglichkeit, einen Gegenentwurf einzubringen. Auch wir werden unsere Interessen einbringen. Im letzten Schritt muss sich das Volk an der Urne dazu äussern. Je nachdem, wie schnell die Initiative eingereicht beziehungsweise wie schnell sie in der parlamentarischen Phase behandelt wird, kann die Initiative zwischen 2025 und 2027 zur Abstimmung kommen. Genauer kann man das noch nicht sagen.

Was ist die Haltung der SRG?

Wir haben bereits bei der Ankündigung der Initiative klargemacht, dass wir den erneuten Angriff auf den medialen Service public entschieden bekämpfen werden. Er erfolgt nur vier Jahre nach dem sehr klaren Nein zur «No Billag»-Initiative (71,6 Prozent) vom März 2018 und dem klaren Bekenntnis der Schweizer Bevölkerung zu einem starken Service public. Das scheint mir noch nicht so lange her. Aber wir sind bereit, unseren Beitrag für unsere Gesellschaft und unsere Demokratie erneut unter Beweis zu stellen. So unschön es ist: Inzwischen wissen wir, wie es geht. Auch wenn wir Respekt vor der neuen Volksabstimmung haben müssen.

«Die SRG ist bereit, ihren Wert für unsere Gesellschaft und unsere Demokratie erneut unter Beweis zu stellen.»

Welche Konsequenzen hätte eine Annahme der Initiative für die SRG?

Aufgrund der Forderungen der Initiant:innen ist klar: Die SRG wäre mit einem so stark reduzierten Budget in ihrer heutigen, dezentralen Struktur nicht mehr finanzierbar. Die Folge wäre eine weitgehende Zentralisierung – dies zum Leidwesen der regionalen Berichterstattung, der sprachlichen Minderheiten und der Randregionen unseres Landes. Eine massive Reduktion der SRG wäre ausserdem ein harter Schlag für den Medienplatz Schweiz und für die Schweizer Film-, Musik-, Kultur- und Sportbranche. Auch Personal und Programm wären stark betroffen. Wir werden deshalb zusammenhalten und den Service public, der uns allen am Herzen liegt, verteidigen.